Kategorie: Stories

Schul-Lockdown ohne IT daheim

Erfolgreiche Integration der Familie Al Khobbi in Bruckmühl

Wärme empfängt mich, als ich das Haus der Familie Al Khobbi in Heufeld betrete. Diese Wärme rührt zum einen von dem kleinen Bollerofen her, der im Flur zwischen Küche und Wohnzimmer steht. Zu einem wesentlich größeren Teil stammt sie von der familiären Herzlichkeit und tiefen Verbundenheit. Diese Innigkeit ist konstant und erfüllt den ganzen Raum, in dem wir uns zusammensetzen, um über die vergangenen Wochen nach dem Lockdown zu sprechen.

Vater Ahmed Al Khobbi kam vor fünf Jahren mit seinen beiden ältesten Söhnen Mahmoud, heute 21 Jahre, und Mohamad, jetzt 22 Jahre, aus Syrien nach Deutschland. Warum sie geflohen sind? Eine Vergangenheit in einem kriegsgebeutelten Land, eine Gegenwart mit täglicher Angst und eine Zukunft, in der die Söhne zu einem Armee-Dienst verpflichtet sind, bei dem sie Landsleute töten müssten. Um diesem Kreislauf zu entgehen, wählten zunächst die ältesten männlichen Familienmitglieder den Weg Richtung Europa. Ein Jahr später folgten seine Frau Khadijeh Al Youssef mit den Söhnen Mouamen und Muhannad. Die vielen M-Namen sind echte Zungenbrecher für mich, doch bei der Tochter Sham, die vor zwei Jahren in Bad Aibling geboren wurde, tue ich mich deutlich leichter. Die Kleine wird als Nachzügler von allen liebevoll umsorgt und mit Sicherheit zu Recht verwöhnt.

Zuerst die Weiterleitung, dann die Arbeit

Ihre Brüder hatten es da in den letzten Monaten deutlich schwieriger: Der Lockdown im März traf auch sie vollkommen unvorbereitet. Muhannad ist mittlerweile 13 Jahre alt, spricht perfekt deutsch und geht in die 6. Klasse der Mittelschule in Heufeld. Doch wie an all die Aufgaben kommen, die die Lehrer über die verschiedenen Portale oder per Mail zusenden? Ein Handy hat er zwar, zum Ausdrucken wurden die Dokumente an einen Nachbarn weitergeleitet, der sie freundlicherweise ausdruckte. Bis sich dieses Procedere eingespielt hat, verging einige Zeit und machte den Alltag nicht einfacher. Der 9-jährige Muhannad erhielt seine Aufgaben von der Aiblinger Schule per Post. Dadurch entfiel zwar das Ausdrucken, aber alles lief zeitlich verzögert ab. Die Eltern und der große Bruder versuchten natürlich so viel wie möglich bei den Aufgaben zu helfen. Doch daneben wurde eine Person in dieser Zeit noch wichtiger, als sie es eh schon war: Die Patin Monika Winter-Wessely kam regelmäßig vorbei, um gemeinsam mit den Jungs nicht den Überblick über die Aufgaben zu verlieren. „Ohne Monika wären wir aufgeschmissen“, berichtet Vater Al Khobbi. Und das gilt nicht nur für die letzten Monate, sondern für viele Jahre, in denen sie die Familie durch den Behördendschungel begleitet und im Alltag berät.

Vater Al Khobbi traf in der Zeit nach dem Lockdown wie so viele die Kurzarbeit. Doch inzwischen ist er stolz über seinen kürzlich erhaltenen, unbefristeten Arbeitsvertrag bei der Firma Fritzmeyer in Heufeld. Das ist vor allem natürlich sein eigener Verdienst. Sohn Mahmoud ist im zweiten Lehrjahr seiner Mechatroniker-Ausbildung. Vater und Bruder sind also – auch in puncto Arbeit – die besten Vorbilder für die Jüngeren.

Angekommen um zu bleiben

In einem weiteren Punkt sind sich alle einig: Ihre neue Heimat in Oberbayern möchten sie auf keinen Fall verlassen. Die Jungs sind beide im Fußball-Verein SV-DJK Heufeld und vermissten während des Lockdowns vor allem auch das Zusammensein mit den Freunden. „Integration deluxe“ kann Muhannad vorweisen: Bereits jetzt ist er in der Jugend-Feuerwehr aktiv und möchte ihr auch in Zukunft treu bleiben.

Mohamad, Khadijeh Al Youssef mit Sham, Muhannad, Mouamen und Mahmoud Al Khobbi (von links nach rechts)

Wir alle hoffen, von Schul-Schließungen und Quarantäne verschont zu bleiben. Doch sollte es kommen, ist die Familie zumindest IT-mäßig besser vorbereitet: Patin Monika Winter-Wessely hat in der Zwischenzeit privat einen PC mit Drucker organisiert. Damit sind die Voraussetzungen schon einmal um 100 Prozent besser als im März 2020.

Gesundheit für alle steht bei den Zukunftswünschen ganz oben. Das dies nicht selbstverständlich ist, erfuhr Vater Al Khobbi im eigenen familiären Umfeld: Seine eigene Mutter lebte noch in Syrien und ist kürzlich an Corona gestorben. Frieden würde mit Sicherheit auch die medizinische Versorgung in Syrien verbessern, doch dahin ist es leider ein langer Weg. Für die eigene Familie wünschen sich alle darüber hinaus Sicherheit und Freiheit. „Deutschland ist ein schönes Land, wir schätzen vor allem den Respekt der Menschen!“, sind sich alle einig. Und mit ihrer familiären Kraft und Herzlichkeit können sie uns allen auch viel geben.

 

Brigitte Paul für die Asylhilfe Bruckmühl

Okemma und bleim

Semere Mengesteab aus Eritrea und Simon Gebhardt, Ausbildungsleiter bei Neenah Gessner

Manche suchen ständig nach neuen Herausforderungen im Leben, um keine Langeweile aufkommen zu lassen. Und für manch andere ist Alltag das Schönste, was ihnen passieren kann. Denn Alltag bedeutet für sie Sicherheit und eine Zukunft. So geht es auch Semere Mengesteab aus Eritrea. Er ist mitten in seiner Ausbildung bei dem Papierproduzierenden Unternehmen Neenah Gessner, das mit zwei Standorten in Bruckmühl und Feldkirchen-Westerham in Deutschland vertreten ist. Sein Lehrplatz ist für ihn das Beste in seinem deutschen Alltag überhaupt. Und Simon Gebhardt, Ausbildungsleiter bei Neenah Gessner, betont: „Für ihn gab es keine Sonderbehandlung aufgrund seiner Flüchtlingsgeschichte. Semere habe sich bei uns beworben und in einem Praktikum sein Interesse und Engagement gezeigt. Er wurde aufgrund seiner sehr guten Leistungen genommen und macht uns seitdem deutlich, dass unsere Entscheidung richtig war.“

Von der Kunststofftechnik zum eigenen Auto

Auch Semere hat seinen Platz in seiner neuen Lebensstation gefunden. Der 20-jährige aus Eritrea lebt in einer Wohngemeinschaft im B&O-Gelände in Bad Aibling. Für seinen Lehrplatz zum Verfahrensmechaniker für Kunststoff und Kautschuktechnik absolvierte er von Januar 2018 bis Juli 2018 zunächst ein Praktikum bei Neenah Gessner und startet im September 2018 seine Ausbildung. „Semere hat uns von Anfang an überzeugt und wir freuen uns sehr, dass er seine Ausbildung hier macht“, erklärt Simon Gebhardt. Für den Schichtstart um 5.45 Uhr muss er sich schon zeitig mit dem Fahrrad auf den Weg zur Bad Aiblinger Zugstation machen. Doch das nimmt er gerne in Kauf. Während seiner Ausbildung ist er mitten im Produktionsprozess integriert und sein besonderes Augenmerk gilt der Meltblown-Maschine. In seiner freien Zeit hat ein weiteres Projekt in Angriff genommen: In 2019 möchte er gerne seinen Führerschein machen, um – wie alle Jugendlichen in seinem Alter – selbständiger unterwegs zu sein.

Zwei neue Sprachen lernen

Semere hat sich seinen Weg in Deutschland mit viel eigener Kraft gebahnt. Unterstützung kam selbstverständlich auch von vielen offiziellen und ehrenamtlichen Stellen. Denn ohne diese Hilfe ist es sehr schwierig in einem neuen Land Fuß zu fassen.

Gefragt nach seiner größten Herausforderungen in seiner neuen Heimat, kommen jedoch keine wirklichen Probleme zur Sprache, sondern die Kommunikation auf bayrisch. Das ist auch für alle Zugezogenen leicht nachzuvollziehen: Selbst mit Deutsch auf Muttersprachen-Niveau sind viele Ausdrücke einfach neu und müssen dazu gelernt werden. Alle absolvierten Deutsch-Kurse für Geflüchtete sind selbstverständlich auch auf hochdeutsch und deswegen ist boarisch wie eine zusätzliche Fremdsprache. Doch Semere hat diese Hürden gemeistert und kann problemlos mitreden. Gemäß dem Motto: Hier okemma und bleim basst.

Kinder für Kinder vor Ort: Zwei Leiterwägen voll Geschenke

Kindergarten Arche Noah übergibt Weihnachtspäckchen an Flüchtlingskinder in Bruckmühl

Über welche Geschenke freuen sich andere Kinder am meisten? Die Experten für diese Frage sind natürlich Gleichaltrige. Als es darum ging, Weihnachtspäckchen für Flüchtlingskinder in Bruckmühl zu packen, trennten sich manche Kinder selbst von besonders liebgewonnenen Spielsachen. Ein heißgeliebtes Einhorn, gern gelesene Bücher und viele andere Dinge wurden wunderschön verpackt und zum Kindergarten gebracht. Zwei Leiterwägen voll Geschenke konnten im Pfarrheim von 60 Kindergarten-Kindern an die Asylhilfe übergeben werden. Mit Unterstützung des Bufdi Theresa Brunnlechner fanden anschließend alle Päckchen glückliche neue Besitzer.

Theresa Brunnlechner, Bufdi der Gemeinde Bruckmühl für die Asylhilfe, bei der Geschenkeübergabe an Freweyni Kesete und ihre Tochter Gelila
Kindergarten Arche Noah übergibt Weihnachtspäckchen an Flüchtlingskinder in Bruckmühl
Kindergarten Arche Noah übergibt Weihnachtspäckchen an Flüchtlingskinder in Bruckmühl
Kindergarten Arche Noah übergibt Weihnachtspäckchen an Flüchtlingskinder in Bruckmühl

Wie kam es zu dieser Aktion?

Der Elternbeirat des Kindergartens Arche Noah in Bruckmühl wollte auch dieses Jahr wieder Weihnachtspäckchen packen, doch nicht wie sonst ins Ausland schicken. Gemeinsam mit der Asylhilfe wurde deshalb geklärt, wie viele Kinder von Geflüchteten in Bruckmühl leben und sich über ein Geschenk freuen würden. Für 48 Kinder im Alter bis 14 Jahre wurden passende Überraschungen zusammengestellt.

 

Die Geschenke wurden von den Kindern aus dem eigenen Fundus ausgesucht und gespendet.

 

Die Asylhilfe Bruckmühl bedankt sich im Namen aller Familien und ihrer Kinder für diese tolle Aktion!

Neue Infos auf der Website

Sie möchten mehr über Flüchtlinge erfahren? Auf unser neu angelegten Seite „Hintergründe“ haben wir einige Informationen für Sie zusammengestellt. Wir werden diese Seite nach und nach ergänzen.

Auch die Seite „Unsere Teams“ ist neu. Erfahren Sie, in welche Teams wir uns aufgeteilt haben, um möglichst effektiv zu arbeiten. Vielleicht haben Sie ja Interesse an einer Mitarbeit in einem der Teams? Dann melden Sie sich einfach per Mail an asylhilfe@bruckmuehl.de. Bitte geben Sie direkt im Betreff an, in welchem Bereich Sie konkret aktiv sein möchten und hängen Sie Ihrer Mail die ausgefüllte Asylhilfe Profilkarte an.

Vielen Dank für Ihr Interesse!